16. Der Pionier am Schwanenteich 1953

Bildhauerarbeiten 1953.
(Foto: Mindener Museum / Martin Steffen)
Denkmalsweihe voller
Widersprüche
Hans Möller-Porta gestaltete 1953
den steinernen Pionier am Schwanenteich im Glacis
Minden (mar). Es gibt
prominentere Denkmale als dasjenige am Schwanenteich für die in
zwei Weltkriegen getöteten Mindener Pioniere. Doch der Blick auf
die vom Künstler Hans Möller-Porta geschaffene Figur und ihre
Einweihung vor 54 Jahren zeigt Widersprüche und Mehrdeutigkeiten
des Umgangs mit "Krieg" und "Erinnerung" wie in kaum einem
anderen Fall.
Eigentlich
hatte Minden seit 1923 an dieser Stelle bereits ein Denkmal für
die im Ersten Weltkrieg getöteten Angehörigen des Hannoverschen
Pionier-Bataillons 10 besessen. Es zeigte einen sprungbereit
knienden Soldaten mit Handgranate - eine naturalistische, aber
nicht unbedingt realitätsnahe Figur, die ganz im konventionellen
Rahmen einen möglichst heroischen "Krieger" in tadellos
sitzender Uniform darstellte.
1946 war dieses Denkmal durch Unbekannte so stark beschädigt
worden, dass es weitgehend abgetragen wurde. Die Ergänzung eines
vorhandenen Denkmals um die Jahreszahlen und Formationsnamen des
Zweiten Weltkrieges - wie am 15er-Denkmal in der Nachbarschaft -
schied aus, als sich Pioniere und Kriegsteilnehmer Gedanken um
ein eigenes Denkmal machten. Erinnert werden sollte an das in
Minden von 1920 bis 1945 beheimatete Pionierbataillon 6.
Mit dem Maler und gelernten Bildhauer
Hans Möller-Porta gewannen die Initiatoren einen vielleicht
unwahrscheinlich wirkenden Künstler für ihr Projekt. Der
Besselgymnasiast und Kunstgewerbeschüler in Hannover und Bielefeld
konnte in den 1930er-Jahren erste Ausstellungen zeigen. Seine Bilder
bewegten sich in eine abstrakte Richtung, ohne das Gegenständliche
ganz zu verlieren. Möller-Porta war für seine pazifistische
Grundhaltung bekannt. Andererseits war er 1940 zum Kriegsdienst
eingezogen und überwiegend an der Ostfront eingesetzt worden. 1944
bis 1949 verbrachte er in sowjetischer Gefangenschaft. Dies mögen
Anknüpfungspunkte für die Auftraggeber gewesen sein. Seine Eindrücke
hatte er zeichnend und malend verarbeitet.
Möllers Sandsteinfigur - laut damaligem MT-Bericht "Deutschlands
erstes Soldatendenkmal nach dem Kriege" - zeigt kubistische
Einflüsse, war aber für Kriegsteilnehmer ohne weiteres zu
entziffern. Die leicht überlebensgroße Figur vor einer Stele ist
durch Patronentaschen, Handgranaten, Mannschaftsstiefel und
Stahlhelm als Soldat erkennbar. Dieser trägt einen Pressluftbohrer
geschultert, über der Schulter liegt eine Decke.
Ausrüstungsgegenstände und Gesichtsausdruck lassen den Pionier im
doppelten Sinne eher "beladen" als "heroisch" wirken.
Die Inschrift des Denkmals nennt die Mindener Pionierbataillone des
Ersten und Zweiten Weltkrieges und trägt den Schriftzug "Ihre Ehre /
lag in der Erfüllung / ihrer Pflicht". Dieser "traditionalistische"
Spruch ist aus heutiger Sicht als Deutung problematisch. Der Blick
in die MT-Ausgaben rund um das Einweihungswochenende 1953 zeigt
aber, dass die mit umfangreichen Berichten begleiteten
Feierlichkeiten im Gegensatz zu Möller-Portas Skulptur noch ganz in
traditionellen Vorkriegsformen abliefen. Sie dürften alle
konservativ-bürgerliche Kreise und ehemalige Berufssoldaten
angesprochen haben. "Den Treuesten der Treuen sei dies Mal
gewidmet!" jubelte die Lokalzeitung förmlich über Möller-Portas
Figur, der "stolzer Blick" und "fester Tritt" bescheinigt wurde.
Militärfreundliches Publikum
Neben dem
Pionierverein hielt auch der Bund ehemaliger "15er" am 7. Juni 1953
sein Treffen in Minden ab, so dass reichlich militärfreundliches
Publikum die Veranstaltungen begleitete. Zwischen "Vaterland" und
"NS-Diktatur" zu unterscheiden und beim Respekt vor den Toten auch
nach den Hintergründen ihres Sterbens zu fragen, dazu waren
Öffentlichkeit und Medien in der jungen Bundesrepublik wohl noch
nicht bereit. Die überlieferten Rituale stellten den kleinsten
gemeinsamen Nenner dar.
Neben diversen privaten Begegnungen und Erinnerungen, Anekdoten und
Histörchen schien Tagespolitik durch. Der Kalte Krieg zwischen Ost
und West war 1953 in vollem Gang. Die Debatte um eine westdeutsche
Wiederbewaffnung auch: So forderten Festredner der Soldatenbünde im
MT, dass bei einem künftigen deutschen Wehrbeitrag "preußische
Traditionen" gewahrt bleiben müssten und riefen zur Freilassung der
von den Siegern noch inhaftierten deutschen Soldaten auf. Das
Bekenntnis zur Demokratie wurde pragmatisch mit der Forderung nach
einer befriedigenden Regelung der Renten für Berufssoldaten
verbunden.
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